Expertenrunde zum Flächensparen
Gemeinsame Initiative der ILEn Donauschleife und Donau-Isar
Osterhofen. Die Mitgliedskommunen der ILE Donauschleife und der ILE Donau-Isar arbeiten seit Jahren an einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung. Die passgenauen Strategien und Werkzeuge dazu waren jetzt Inhalte einer Expertenrunde.
Der Bedarf an Wohnraum wächst, gerade in einer erfolgreichen und attraktiven Region wie dem Landkreis Deggendorf. Im südlichen Landkreisbereich, den die beiden ILEn Donauschleife rund um Osterhofen sowie Donau-Isar rund um Deggendorf-Plattling abdecken, haben zudem der Hochwasserschutz, die Landwirtschaft und aufgrund der Topographie auch gewerbliche Wirtschaft und Erneuerbare Energien große Flächenbedarfe. All das mit dem Ziel eines möglichst sparsamen Flächenverbrauchs in Einklang zu bringen ist eine große Herausforderung. Die Städte, Märkte und Gemeinden stellen sich dieser Aufgabe schon seit Jahren unter anderem mit Instrumenten und Weichenstellungen, die gezielt die Innenentwicklung der Orte und die Vermeidung von Gebäudeleerständen zum Ziel haben.
Die Instrumente und wesentliche Rahmenbedingungen was Genehmigungsverfahren angeht, kommen dabei unter anderem vom Landkreis, vom Amt für Ländliche Entwicklung Niederbayern, der Städtebauförderung oder der Landesplanung. An der hierfür zuständigen Regierung von Niederbayern ist seit nunmehr fast zwei Jahren ein zentrales Flächensparmanagement angesiedelt, das zum Jahresbeginn 2021 personell verstärkt wurde. Auf Initiative der beiden ILE-Vorsitzenden Jutta Staudinger, Bürgermeisterin von Stephansposching und Liane Sedlmeier, Bürgermeisterin der Stadt Osterhofen, wurden diese Fachstellen zu einem Austausch in die Stadt Osterhofen eingeladen.
Alexander Steinbach, Flächensparmanager der Regierung von Niederbayern, übernahm den Part des zentralen Referenten. Der Freistaat Bayern verfolgt das unverbindliche Ziel pro Tag nicht mehr als 5 ha Fläche zu verbrauchen. Derzeit sind es rund 11 ha, 37% davon fallen unter den Bereich Wohnungsbau. Steinbach betonte, dass die Instrumente der Landesplanung nicht die Kommunen gängeln sollen, sondern alle Entwicklungsträger bis hin zum einzelnen Bürger für das Thema Flächensparen als Beitrag zum Ressourcenschutz zu sensibilisieren. Aufgabe ist es, in diesem Bewusstsein eine Entwicklung hin zu gleichwertigen Lebens- und Arbeitsbedingungen in Stadt und Land zu ermöglichen, wie sie etwa auch die Heimatstrategie 2025 der Staatsregierung anstrebt.
Rund um die Impulse des Flächensparmanagers entstand eine detaillierte und vielschichtige Diskussion über drei Stunden hinweg, die von den Umsetzungsbegleitern der ILEn, Gunter Schramm und Dr. Wolfgang Fruhmann, moderiert wurde. Besonders wichtig war den Bürgermeistern eine Entwicklung, die die individuellen Situationen in den Kommunen berücksichtigt. Insbesondere zu beachten sind demnach die unterschiedlichen Strukturen, Lebensgewohnheiten und damit auch Entwicklungsoptionen der Kommunen. So müsse sich zum Beispiel eine Nachverdichtung den ländlichen Strukturen anpassen und kann nicht städtische Konzepte auf Dörfer übertragen. Bürgermeisterin Staudinger weist diesbezüglich darauf hin, „solche Wohnbauprojekte müssen aber auch in ein dörfliches Umfeld passen und nicht nur ein urban geprägtes Investitionsobjekt sein, das seinen Standort aufgrund der hohen Preise in den Städten eben im Umland sucht.“ Das soziale und infrastrukturelle Gefüge der Orte muss gerade auch bei Innenentwicklungsprojekten Berücksichtigung finden. Aus städtischer Sicht beleuchtet Bürgermeisterin Liane Sedlmeier die Infrastruktur als einen weiteren Aspekt der Innenentwicklung und Nachverdichtung. „Es ist eine große Herausforderung, die bestehenden Ver- und Entsorgungsleitungen im Siedlungsbestand an wachsende Bedarfe anzupassen, das muss bei den Forderungen nach Innenentwicklung realistisch mitbewertet werden“. Laut Herrn Steinbach stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung, um Infrastrukturfolgekosten zu berechnen.
In einem weiteren Fachimpuls gab Bürgermeister Hans Eigner, Gemeinde Wallerfing, einen aktuellen Praxisbericht zur Anwendung des Instruments Vitalitätscheck und Flächenmanagementdatenbank. „Diese Werkzeuge schaffen bei richtiger Anwendung und exakter Datenerhebung eine wertvolle Basis für die kommunale Entwicklungsplanung“ so Eigner. „Allerdings sollten die Werkzeuge weiterentwickelt werden, um die sich verändernden Gegebenheiten auf dem Immobilienmarkt und beim demographischen Wandel passgenau zum konkreten Ort, zu den regionalen und auch historischen Entwicklungen abbilden zu können“. Deutlich wurde bei der Arbeit der letzten Monate, wie individuell die Verhältnisse rund um jede Immobilie sind und wie wichtig umso mehr der persönliche Kontakt und bedarfsweise auch die Beratung der Eigentümer ist. Auch die übergeordneten Ziele wie Flächensparen, Nachverdichtung und Grünflächen innerorts, am besten als ökologisch wertvolle Flächen, lassen sich quasi nur in Einzelfallprüfung beurteilen. Nur so ist zu entscheiden, ob etwa ein großer Obstgarten zum Teil auch ein geeigneter Bauplatz innerorts sein könnte oder besser Grünfläche bleiben sollte. Flächensparmanager Steinbach weist in dem Zusammenhang darauf hin, zwischen quasi geplanter Grünfläche und Baulücken etwa mangels Bauzwang in Neubaugebieten zu unterscheiden.
Über allem steht natürlich unantastbar das Eigentumsrecht des Besitzers. Mögliche Flächenpotentiale innerorts in Form von Baulücken oder die Wiederbelebung eines Leerstandes erfordern den Veränderungswillen der Besitzer. Michael Kreiner, stellvertretender Leiter des Amtes für Ländliche Entwicklung Niederbayern, sieht es als unerlässlich an, diesen zweifellos mühsamen Weg der Datenerhebung und Eigentümerbefragung zu gehen, um das Ziel Flächensparen zu erreichen. Das ALE fördert diese Datenerhebungen im Rahmen der ILEn mit hohen Beträgen. „Wenn die Kommunen dann Ihre Daten, Bedarfe und Innenentwicklungsoptionen und -beschränkungen belegen können, haben wir als Behörden bei Stellungnahmen ein klare Entscheidungsbasis“ so Kreiner. Ein einfaches, unkontrolliertes Wachsen nach außen kann so reglementiert werden, gezielte Flächenangebote gerade für ortsansässige Bauwerber aber auch umgesetzt werden. „Der Erfolg eines Bürgermeisters, einer Bürgermeisterin darf nicht an der Menge der Baugebietsausweisungen gemessen werden“ ergänzt Kreiner als Appell an alle.
Junge Menschen am Ort eine Perspektive zu bieten, ist einvernehmliches Ziel der Runde. „Neue Baugebiete haben wesentlichen Einfluss auf eine stabile, altersgemischte demographische Entwicklung einer Gemeinde“ so Bürgermeister Johannes Schmid aus Otzing. Zur Entwicklungsaufgabe gehören dabei natürlich auch bezahlbare Mietwohnungen, nicht nur das Einfamilienhaus, das immer noch die Wirklichkeit verzerrend als alleiniges Marktsegment mit dem ländlichen Raum in Verbindung gebracht wird.
Mit Blick auf die gesamte Region Deggendorf bestand Einigkeit in der Runde, ein homogenes Wachstum anzustreben, das Stadt und Stadtumland als Einheit mit wechselseitigen Verflechtungen sieht. Eine Siedlungsentwicklung in Richtung „Speckgürtel“ soll vermieden werden, was Stadt und Umland gleichermaßen vor Herausforderungen stellen wird. Entsprechend ist auch die Immobilienwirtschaft in die Entwicklung mit einzubeziehen und für das Thema zu sensibilisieren. Einhellige Forderung der Bürgermeister war ferner, die übergeordneten rechtlichen Rahmenbedingungen wie Grundsteuer und Baurecht auch so anzupassen, dass die Kommunen ihren Willen zu ressourcenschonender Entwicklung auch zielführend ausgestalten können. Dazu gehört auch die Weiterentwicklung der Planungsinstrumente und Datengrundlagen hin auch zu mehr Betrachtung von Qualitäten als Quantitäten der Siedlungsentwicklung.
Die Einwohner der beiden ILEn können seit Sommer auf den Förderleitfaden rund um die private Immobilie, Unternehmensgründung und unternehmerisches Handeln zurückgreifen, um gerade mit Bezug auf Gebäude Finanzierungsoptionen zu recherchieren. Nicht zuletzt dieses Serviceprojekt zeigt den Willen der ILEn die Themen rund um Wohnraumversorgung, Ressourcenschutz und Interessenausgleich auf breiter Front zu bearbeiten.
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